Die EINE-WELT-VILLA ist ein partizipatives Kunst-Projekt des Künstlers Stuff. Auf einem verlassenen Grundstück in der Stadt wurde unter ökologischen und sozialen Kriterien (siehe Interview) eine Wohnstätte errichtet. Zentral ist dabei die Frage nach der artgerechten Haltung von Menschen. Haltung natürlich im Sinne von innerer Haltung. „Bei einem nächtlichen Besuch des Wiener Tiergartens wurde uns erzählt, dass Tiger nicht mehr ihre Schlafplätze verlassen wenn die Temperatur dort eine bestimmte Höhe erreicht hat. Und wenn die Tiger dann auch noch mit Futter bedient werden, nehmen sie an Gewicht zu und sind für die Gäste [des Tiergartens] nur mehr schlafend wahrzunehmen. Sie stellen sogar ihre Sexualität ein. – Wer Tiger zeigen möchte muss darauf achten, dass die Temperaturen und die Futterangebote das Tier in Bewegung halten. Das ist artgerecht und ermöglicht den Kontakt mit der Umwelt. – Was bedeutet diese Erkenntnis für uns Menschen? Wenn wir unseren inneren Tiger zeigen wollen, darf es uns nicht zu feist werden? Welcher unserer aktuellen Wohn-Standards wurde uns von einer verkaufsgeilen Produktwerbung aufgeschwätzt? Was davon ist Tradition? Was sind meine Bedürfnisse? Um das herauszufinden kann die EINE-WELT-VILLA als Erfahrungsraum im normalen Alltag von TeilnehmerINNEn bewohnt werden.“ Kontakt und Anmeldung über einen Kommentar auf dieser Seite.
Gebaut wurde die EINE-WELT-VILLA aus recycelten Materialien auf aktuellem technischen Stand.
Von September bis Mitte Oktober 2015 bauen Jugendliche in Fürth mit Stuff Klier ihr Eine-Welt-Haus.
Hier ein Interview mit Herrn Stuff vom Dezember 2012.
Ein spannender Kontrastpunkt hierzu ist der internationale Wettbewerb für Solar-Fertig-Häuser in Irvine / Californien vom 3. – 13. Oktober 2013, mit real gebauten Modellhäusern nach studentischen Entwürfen. Siegerin 2013: LISI aus Österreich.
Weitere interessante Projekte mit einer befreundeten Perspektive auf die Welt: Earthship Tempelhof und Grandhotel Cosmopolis
Die EINE-WELT-VILLA hat jetzt auch ihre eigene Webseite hier.
Stuff Klier ist 2015/16 Teil der Fa. Zusammenkunst, einem offenen Forum für Menschen, die mit künstlerischen Mitteln gesellschaftswirksam werden möchten. Es entstehen Arbeiten im Spannungsfeld zwischen Bürgerbeteiligung und festgelegtem Konzept, zwischen Bildender-, Darstellender- und Sozialer Kunst, die ein sinnvolles Leben und Zusammenleben intendieren. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Künsten und der Lebenswelt ist konzeptionelle Grundlage aller Arbeiten.
Selbstversuch: Januar 2015 in der EINE-WELT-VILLA
„Ich bin immer bereit etwas neues auszuprobieren wenn ich es schon kenne.“
Nikkolo Feuermacher
Vor dem Einziehen in die Villa habe ich mich gut informiert, mir einen Daunenschlafsack besorgt und sicher gestellt, dass das schlimmste von allem nicht passiert: ich allein in einer fremden Umgebung.
Der Künstler STUFF war einverstanden. Wir konnten zu zweit in der Villa sein, und es hat sich erstaunlich gut gelebt.
EINE-WELT-VILLA Besuch im Januar bedeutete: Schnee, Kälte, frühe und lange Dunkelheit.
Mit Daunenschlafsack und Schlafmütze war ich auf ein Biwak im Freien eingestellt. Was dann kam – mit einer menschliche Heizung zusätzlich im Raum – : mir war es fast zu warm in der Villa. Hell leuchtete der Schnee durchs Fenster herein. Schnee, der scheinbar nur in diesem Garten liegen blieb – und auf den Autodächern im jenseits.
Zum Clo raus in die Kälte – wie vor 50 Jahren: es ist immer eine Überwindung nachts zu pinkeln – selbst mit Bettflasche – die Träume werden unterbrochen, es geht um ganz banales und man kann sich vollkleckern. In der Villa war es nicht mehr Überwindung als im Hotel – sogar etwa gleich viel Schritte bis zum Pissort.
Das Ressourcen-Bewusst-Werden ist im Winter vielleicht noch grösser als im Sommer. Denke ich, der ich im Sommer noch nie hier war. Die Wärmequelle ist das Zentrum der Villa, das heisse Tee-Wasser ein Lebenselexier. Abends machen es die Kerzen urgemütlich.
Nutzung der Villa als Paar: der engen Raum gibt ein gutes Übungsfeld – fast wie Tanzen.
Tagesablauf: zwei Stunden im Haus reichen mir und es kommt der Impuls raus zu gehen, aktiv zu sein. Das regt den Kreislauf innerlich und äußerlich an.
Fremdduschen: Freundlichkeit konkret anzunehmen ist nicht leicht. Die liebevolle Geste überwältigt mich fast emotional. Weil mir etwas so wichtiges so einfach gegeben wird. So einfach gegeben werden kann. Hier klaffen Theorie und Praxis, Vorstellung und Erleben, Vorbereitung und Ausprobieren am weitesten auseinander. Das Annehmen von (Nächsten-) Liebe ist ein scheinbar ein Lernfeld. Und nach dem Fremdduschen nicht in einer Traumwelt bleiben und zu glauben die nächste Person, die man trifft, wäre auch so herzlich. Die nächste Person ist ein genervter Wäschereibetreiber, der nicht versteht dass ich meine Wäsche gleich wieder mitnehmen möchte, und mich zum Teufel schickt – mit einer durchschnittlichen Verachtung. Und der übernächste Mensch ist jemand, der seine schmutzige Wäsche voller Papiertaschentüchern unbemerkt in meine gemietete Waschmaschine stopft – weil die nicht voll ist und ich unaufmerksam.
Vielleicht sind der Schmerz und die Angst vor solchen Spätschäden durch Herzöffnung das grösste Hindernis am Ausprobieren des Fremdduschens. Sich vor Menschen zu schützen indem man nichts von ihnen erwartet – und das dann auch bekommt.
Sich warm zu Duschen nach drei Tagen und Nächten EINE-WELT-VILLA im Januar ist ein herrliches körperliches Erlebnis. Diese Körperlichkeit allein ist es wert das auszuprobieren – auch ohne Psycho.
Nur 1 Rasierspiegel in der Villa: Wie sehe ich eigentlich aus? Was habe ich an? Wie ist meine Aussenwirkung? Die Villa gibt keine Antworten.
Das Alleinsein kommt natürlich doch, weil wir uns nicht die Beine aneinander gekettet haben. Das Verhältnis zwischen Alleinsein, Zweisamkeit und Gruppe-sein ist wahrscheinlich für jedeN verschieden, je nach Gewohnheit, Trainingsmöglichkeiten und daraus erwachsenden Bedürfnissen. Für mich ist zu zweit in der Villa ein gutes Trainingsfeld für die menschliche Wärme – nicht nur Nachts. Allerdings verhindert die Zweisamkeit auch das Lernen. So weiss ich bis heute nicht wie die Clotonne geleert oder das Gasventil behandelt wird wenn es spinnt. Einfach weil ich es jemand anderem überlassen habe das zu tun.
Der Deutsche wohnt auf durchschnittlich 42,9 Quadratmeter Grundfläche. Zwei Deutsche dann auf 86 Quadratmetern. Manchmal lebt ein Deutscher nur auf wenig mehr als Bettgröße. Wenn er obdachlos ist zum Beispiel. Stuff lebt auf ungefähr 15 Quadratmetern – und würde nicht mehr wollen. In seiner „Eine-Welt-Villa“ in Gostenhof bietet er auch anderen die Chance, Wohn-Ballast abzuwerfen. Peter Nensel wäre kein passender Kandidat. Peter ist beim Straßenkreuzer Verein angestellt [Das monatliche Sozialmagazin Straßenkreuzer wird von Straßenverkäufern in Nürnberg angeboten, vgl. Augustin in Wien ], als Verkäufer und im Büro. Ein Banker und Magazinleser hat ihm seine Traumwohnung verschafft – mit Balkon. Da will Peter nicht so schnell wieder raus. Peter hat Glück. Wohnen ist gerade in Städten mit knappem Raum zunehmend eine Frage des Geldes. Gefährlich für eine Stadt wie Nürnberg, die ein friedliches Miteinander von Erlenstegen über St.Leonhard bis Langwasser braucht. …
Die Eine-Welt-Villa heisst jetzt auch Allerweltsvilla.