Am 1. Juli 2014, 19:00 Uhr las Michael Bauer in der Südwind-Buchwelt: Schwarzspanierstrasse 15, Wien 9
Den Willkommenen Anlass bot die Fussball WM der Männer in Brasilien: Fussballpoesie und Winzlyrik für Wiens Lyrikszene in Wien in zwei mal 30 Minuten Spielzeit.
Es pfiff der Weisen-Spieler Klaus Kirchner begleitend auf dem Dudelsack und es war auch ein Spieler der österreichischen Autoren-Fussball-National-Mannschaft anwesend.
Weiteres Interesse an solch einem Event? Anmeldung über einen Kommentar.
Hier ein Gusto-Stückchen von Michael Bauer anlässlich der Eröffnung der Fussball-WM 2914:
Der selige Zauber
Beckenbauer wuchtet die Trophäe hoch.
Adenauer umarmt de Gaulle.
Auf dem vatikanischen Protzbalkon erscheint ein kerniger Kerl namens Franziskus.
Der Matrose im Ausguck der Santa Maria schreit „Land in Sicht!“.
Im Wendegebrodel von Leipzig greift auf einmal der Spruch „Wir sind das Volk“ um sich.
Die Bergleute von Lengede steigen aus der Rettungsbombe.
Der Außenseiter David schnallt gerade, dass er den Favoriten Goliath mit seiner Schleuder voll eine auf die Zwölf gegeben hat.
Der Rütli-Schwur.
Die Nationalhymne spontan im deutschen Bundestag nach der Vereinigung, auch aus den Mündern der linken Internationalismus-Verdächtigen.
Das „Nun danket alle Gott“ -ebenfalls spontan- aus den Mündern der zurückgekehrten Kriegsgefangenen, auch der Atheisten unter ihnen.
Und im Deckengemälde der Sixtina klatschen sich ab:
Unser Urvater Adam und der Herrgott!:
Es wäre doch mal eine Idee, Glücksmomente aus Mythos und Geschichte zu sammeln.
Wie Panini-Bildchen.
Magische Strahle-Momente unter Göttern oder Menschen.
Und sind wir ehrlich: Von dieser Sorte erhoffen sich nicht nur die Fußballfreaks alle ein paar zu Beginn einer solchen Weltmeisterschaft.
Was fürs innere Fotoalbum.
Denn das Fußballspiel ist prädestiniert für den magischen Moment, auch wenn dieser dort -genau wie im richtigen Leben- manchmal in ödeste Langeweile eingebettet ist.
Wir ersehnen den unerwarteten Augenblick, wo irgendein Ruck entsteht. Und danach muss die Luft brennen.
Da fängt ein bestimmter Geist an zu wehen.
Das muss nicht unbedingt immer ein heiliger sein.
Fußballmomente also: Maradona langt sich den Ball. Maracana leuchtet.
Und Lichter gehen an in den Spielerköpfen.
Der alte Gigghia startet noch einmal seinen eigentlich nie wiedergekehrten Flankenlauf von 1950.
Es muss Minuten geben, in denen die Werbeverträge egal werden, obwohl der Regen auf den Rasen trommelt und das Blut in den Schläfen.
Wo sich die linke und die rechte Gehirnhälfte ineinander verlieben.
Die Taktik in die Spiellaune.
Die Gehaltsvorstellungen in den Bock, zu kicken.
Und siehe: Das Laktat macht dem Mumm in den Knochen einen Heiratsantrag.
Höneß raus, Bonhof rein.
Kroos raus, Götze rein.
Oder Netzer mit Matte wird nochmal eingewechselt.
Oder Rahn denkt in Minute 84 von Bern: Ich müsste jetzt einfach mal aus dem Hintergrund schießen.
Odder de Briegel zieht iwwer links los odder iwwer rechts odder äfach genau durch die Mitte.
Rennt mim Balle am Fuß an alle vorbei -immer gradaus- und knallt druf.
Odder nadeerlich: De Fritz Walter (Tanzdribbel, Kickelstep,Hacke,Spitze) spielt em Ottes mit me sauwere Absätzje e sauwer Pässje ins Gässje un der macht de Balle trucke nin.
Odder de Seppl Pirrung saat sich beim Stand vun 1:4 geje die Bayern: Jetzt is soweiso alles zu spät! Jetzt zieh ich ääfach emol ab.
Wir wissen, was aus solchen Zaubersekunden herauswachsen kann an Phantasiewelten und später sehnsüchtig aufgesaugten Erzählungen.
Und was in der Art sollte bitte dabei sein in den nächsten Wochen.
Wenigstens Spurenelemente davon.
Allein schon als Stoff, aus dem die Gutenachtgeschichten gemacht sind, die wir unsern Enkeln erzählen können.
Und wenn dem Jogi nicht die Muffe geht, weil er denkt, der Phillipp könnte vielleicht vor lauter Inspiration vergessen, hinten dicht zu machen, dann könnt`s klappen.
Undenkbar phantastisch aber wäre es gewesen, wenn es dem brasilianischen Volk gelungen wäre, diese ganze von uns vergötterte Sportveranstaltung friedlich in die Tonne zu treten, weil sie der Meinung ist, dass es in ihrem Land wichtigere Dinge zu tun gibt.
Das hätte uns Fußballnarren für den Moment zwar allen ein bisschen wehgetan, wäre aber einer dieser welthistorischen Flashs gewesen, die es wert sind, von einem neuen Michelangelo an den Wänden eines unbenutzten Stadions verewigt zu werden.
Bob Dylan und Conchita Wurst…
waren meine unmittelbaren Nachbarn im ehrwürdigen alternativen Wiener Ankündigungsperiodikum „Falter“ . Sie hatten darin einige Spalten, ich immerhin fünf Zeilen. Ein kleiner, aber kompetenter Teil von Wiens Lyrikszene ist zu meiner Lesung gekommen. Wir fragten uns lange, ob überhaupt Publikum kommen würde, denn die Schweiz spielte gleichzeitig gegen Argentinien und schließlich richteten sich meine Texte an Fußballfans. Am Ende war deutlich mehr als eine Fußballelf da und viel mehr hätten es in Rudis mit ausgefallener Literatur gespickten „Buchwelt“-Raum auch nicht sein dürfen. Aufregend wars, so ganz ohne den Resonanzboden der Heimat. Und ich hatte ein paar kleine Versprecher bei meinen zum Teil sehr kompliziert angelegten längeren Tiraden. Ich hatte mir ja auch vorgenommen, zu den Wienern frech zu sein und nicht immer nur zu den armen Pfälzern, – und dazu fand sich auch ein Anlass. Die Wiener kennen sich zum Teil nur ganz schlecht aus, was ihren nach meiner Meinung größten Dichter Abraham a Sancta Clara angeht. Na, denen hab ich aber … naja, so frech war ich auch wieder nicht. Ich habe mit fast jedem meiner Zuhörer sprechen können, sie waren alle sehr freundlich zu mir und lauter in unterschiedlicher Art sehr gebildete Leute. Sie hätten mir und dem stoischen Weisenspieler Klaus Kirchner trotz Bullenhitze gerne noch länger zugehört. Das haben sie uns ohne Schmäh versichert. Ich hab`s auch in den Augen gesehen, deren Sprache man während so eines intimen Abends gut studieren kann. Nun warte ich gespannt auf die Online-Rezension des Nikkolo Feuermacher. Der Aufenthalt in dieser gelassenen Riesenstadt Wien haben mich und Monika mächtig beeindruckt
und beglückt. Lauter bunte Lernerlebnisse auf Schritt und Tritt. Das findet garantiert seinen Niederschlag in meinen Texten. Wie, wird sich zeigen. Guten Sommer!
so lasset uns hinaus auf die schwarzspanierstraße
gehen und alle schwarzen spanier hereinbitten