Miklós Nemuszáj und Nikkolo Feuermacher reden
Miklós Nemuszáj: Wieso steht auf dieser Internetseite nie „Supervisand*innen“?
Nikkolo Feuermacher: Weil wir „Supervisandinnen und Supervisanden“ schreiben. Das ist nach meiner Wahrnehmung flüssiger lesbar und spricht die Menschen direkter an, es macht die Tür auf. Und ich bin der Webmaster dieser Seite.
Miklós Nemuszáj: Und was ist mit dem dritten Geschlecht?
Nikkolo Feuermacher: Du meinst „teilnehmende Person an der Supervision m/w/D“ ?
Miklós Nemuszáj: Zum Beispiel.
Nikkolo Feuermacher: Ich bin schon über 35 Jahre alt und erinnere mich daher an eine Zeit, in der es Popstars wie Grace Jones, Prince oder David Bowie gab. Alle drei waren weder m noch w und alle drei waren auf jeden Fall sexy. In einer m und w überschreitenden Weise erotisch – für mich jedenfalls. Bei Deinen Kategorien vermisse ich ein wenig die Erotik, deshalb gefallen sie mir nicht.
Miklós Nemuszáj: Weil Du ein Cis-Mann bist.
Nikkolo Feuermacher: Vorsicht! Du redest mich mit einer, meine sexuelle Orientierung einschränkenden Bezeichnung an, die ich mir nicht ausgesucht habe, und die ich als diskriminierend wahrnehme. Du bist sexistisch. Das werde ich mir von Dir nicht gefallen lassen. Entweder Du entschuldigst Dich, oder wir beenden hier das Gespräch, denn ich kann von Deiner Seite aus keinen Respekt wahrnehmen.
Miklós Nemuszáj: Also gut: Entschuldige bitte.
Nikkolo Feuermacher: Entschuldigung angenommen, wenn wir das Gespräch fortsetzen.
Miklós Nemuszáj: Du bist doch ein als Mann geborener Mann, der mit einer Frau zusammen ist, und der das Mann-Sein gut findet. Du bist also das, was manche Menschen heute als „Cis-Mann“ bezeichnen.
Nikkolo Feuermacher: Soll ich Dir hier sagen wie manche Menschen heute Dich bezeichnen, wenn Du mit Deinem Freund durch Wien gehst?
Miklós Nemuszáj: Wo ist Dein Respekt?
Nikkolo Feuermacher: Arroganz ruft manchmal Arroganz hervor. Nur weil Du zufällig weisst, dass ich mit Claudine Montigne-Feuermacher zusammen bin, gehst Du davon aus, dass sie eine Frau – nach Deinen Vorstellungen – wäre, und mir das Mann-Sein in dieser Gesellschaft hier gefällt.
Miklós Nemuszáj: Ist das nicht der Fall?
Nikkolo Feuermacher: Mann-Sein 2020 ist in dieser Gesellschaft die Verlierer-Nummer schlechthin. Du hast als Schüler statistisch weniger Chancen als Deine Mit-Schülerinnen, du bist häufiger Opfer von Gewalt als Frauen UND alle finden, dass das so gut ist – normal. Während Frauen alle Wege offen stehen sollen, bist du als Mann auf die Schiene Leistung und Gewalt genagelt wie ein Jesus aufs Kreuz. Da wird dann genetisch argumentiert und historisch. Meinst Du es macht mir Freude mich in einer Gruppe Männer über Fussball und Autos zu unterhalten und über abwertende Witze zu lachen? Wie ein Hund in einer Wiener Hundzone: erst mal alle anderen zu jagen, zu beissen und versuchen niederzuringen, bis ich weiss wie die Hierarchie auf dem eingezäunten Gelände aktuell ist?
Miklós Nemuszáj: Historisch gesehen leben wir weltweit in einem Patriarchat. Das ist fact.
Nikkolo Feuermacher: Ein Patriarchat wäre es, wenn Du als Mann brav Deine Rolle abspielst und DAFÜR Anerkennung und Respekt erntest. Wenn Du jedoch 2020 eine klassische Mann-Rolle abspielst bist Du eine Lachnummer (ich geb‘ Dir gern die Liste der Filme und Serien die das belegen) und Ziel von Angriffen. Also ist das hier kein Patriarchat. Und ich sage das nicht, weil ich gerne in einem Patriarchat leben möchte. Keines Falls möchte ich in einem Patriarchat leben. Grace Jones sagt 2008 in Bloodlight and Bami: „alle Menschen sollen empfangen und geben, Männer, Frauen, alle Menschen“. Ich setze mich für die universellen Menschenrechte ein und nicht für die Menschenrechte von bestimmten Personengruppen, von denen die Liste länger und länger wird. Alle Menschen bedeutet für mich ALLE MENSCHEN. Mich interessiert nicht WEN Du sexuell anziehend findest. Wenn Du mich nicht mit Deiner Neugier belästigt hättest, hätte ich hier nichts von Deinem Freund erzählt.
Miklós Nemuszáj: Ich finde Dich arrogant: Du redest so, als ob Du wüsstest wie es mir geht.
Nikkolo Feuermacher: Das weiss ich selbstverständlich nicht. Ich weiss nur, dass das Regierungsoberhaupt Deines Heimatlandes beschlossen hat: dieses Land – mit seiner Gesetzgebung – lehnt die selbst gewählte sexuelle Orientierung seiner Landsleute ab. Das ist in meiner Wahrnehmung ein Verstoss gegen die universellen Menschenrechte. Wie sich das für Dich anfühlt, ob Du deswegen jetzt in Wien lebst, … von all dem habe ich selbstverständlich keine Ahnung.
Miklós Nemuszáj: Siehst Du.
Nikkolo Feuermacher: Genausowenig wie Du eine Ahnung davon hast wie es ist als Nikkolo Feuermacher zu leben.
Miklós Nemuszáj: All right.
Nikkolo Feuermacher: Hier können wir aufhören.
Miklós Nemuszáj: Weil sich zwei Männer über sich selbst unterhalten?
Nikkolo Feuermacher: Genau. Das interessiert niemanden mehr. Und in dem Punkt tue ich mir ein wenig leid.
Miklós Nemuszáj legt Wert auf die Feststellung, dass folgende Begriffe von Nikkolo Feuermacher aus dem gemeinsamen Gespräch redigiert wurden. Angeblich geschah das aus Gründen der besseren Lesbarkeit und leichteren Verständlichkeit:
- genderfluid
- doing gender
- genderqueer
- genderbinär
- queer
- demigender
- LGBTQA+
- pride
- DSM-5
- autoeroticism
- pangender
- cissexism
- enby
- Gynozentrismus
- Androzentrismus
- Misogynie
- Androgynie
- intersectionality
- Transfeminismus
- speciesism
- vegetarian ecofeminism
- Gender Ambiguität
- posttranssexual
- intersex
„Im 21. Jahrhundert ist der Cyberspace voll von Menschen, die sich online vor allem mit sich selbst beschäftigen. Wer sich eine halbe Stunde durch das Online-Meer der Blogs und Tweets kämpft … stößt auf Tausende von Menschen, die von ihrer eigenen Person fasziniert sind und nach Aufmerksamkeit schreien.“ Sarah Bakewell „How to Live„, London 2010, zitiert nach Richard Sennett „Zusammenarbeit„, Berlin, 2012